Hubertusstock

Eingebettet in die stimmungsvolle Wald- und Seenlandschaft des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin liegt nahe des Werbellinsees das historische Areal Hubertusstock.

Mit seinem in den Jahren 1847 - 1849 von Friedrich Wilhelm IV. erbauten Jagdschloss war und ist es schon seit jeher eines der beliebtesten Ausflugsziele der Region.

Die Schorfheide im Einzugsgebiet der jungen Metropole Berlin Wie in einem Zerrspiegel wiederholten sich 1858 die Ereignisse von 1840. Das Volk umjubelte in der Hoffnung auf Veränderung den Regierungsantritt des „Kartätschenprinzen“ Wilhelm I., den es doch noch im „revolutionären“ März 1848 bis nach England verjagt hatte. In der langen Zeit seiner Regentschaft sollte der Fünfzigjährige noch zwei weitere Male gekrönt werden.

1861 nach dem Tod seines Bruders wurde er König von Preußen und zehn Jahre später nahm er im Spiegelsaal von Versailles durch die diplomatische Vorbereitung und kluge Inszenierung Bismarcks die Kaiserkrone an. In diesen zehn Jahren wuchs Berlin unaufhörlich. Der „Hobrechtplan“ legte die Grundlage für das Aussehen des heutigen Berlin. Ein neuer Wohnungs- und Industrialisierungsgürtel rund um die ehemalige Akzisemauer entstand. Die Wohndichte stieg genauso rapide wie die absolute Anzahl der Wohnungen. Berlin, das im Vergleich zu den zeitgenössischen Metropolen Paris und London so lange im Dornröschenschlaf gelegen hatte, mußte sich den Erfordernissen einer modernen Großstadt stellen. Dieser Anpassungsprozeß ist vergleichbar mit der heutigen Situation zum Ausgang des Zwanzigsten Jahrhunderts. Der zentrale Berliner Viehmarkt entstand vor den Toren der Stadt, denn die Ernährung der schnell die Millionengrenze überschreitenden Stadtbevölkerung konnte aus hygienischen und wirtschaftlichen Gründen nicht mehr durch Einzeltranport und Einzelschlachtung der zahllosen Metzgerbetriebe in der Stadt gedeckt werden. Heute gehört der ehemalige Viehmarkt zwischen Prenzlauer Berg und Friedrichshain zu den großen, sich nur sehr langsam verändernden innerstädtischen Entwicklungsgebieten. Mit dem rasanten Bauboom der Mietskasernen und Hinterhof-Manufakturen gewann Berlin das Gesicht, das es bis heute prägt: das „steinerne Berlin“, wie es vom Stadtbaudirektor Werner Hegemann betitelt wurde. Wasserwerke wurden gebaut, wie das noch heute erhaltene in der Stralauer Allee. Die unterirdische Infrastruktur wurde geplant und vereinheitlicht. Nach Eingemeindung der neuen Vorstadt entstanden hier wie in Moabit mit Anschluß an den Spandauer Schiffahrtskanal die neuen Elektrizitätswerke der BEW, Vorläufer der BEWAG.

Die politischen Entwicklungen verliefen ebenso rasant. Bismarck wurde durch den König zum Ministerpräsidenten ernannt und die Außenpolitik Preußens damit in zunehmendem Maße durch diese schillernde Figur der preußischen Geschichte bestimmt. Ziel dieser Politik mit Zwischenschritten, wie der Bildung des Norddeutschen Bundes, war die Schaffung eines monarchischen Nationalstaates. Der Konflikt mit den anderen europäischen Großmächten ist dabei vorbestimmt und - wie die massive Ausweitung und Modernisierung des Heeres zeigt - auch einkalkuliert.

1866 siegt die preußische Armee bei Königgrätz über die österreichischen Truppen. Mit geschickten Manövern und diplomatischen Raffinessen provozierte der Kanzler nur vier Jahre nach Etablierung des Norddeutschen Bundes die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen. Mit der Kapitulation Napoleon III. bei Sedan ist das wichtigste Hindernis für die endgültige Errichtung des deutschen Nationalstaates beseitigt. Die Krönung Wilhelm I. zum Kaiser des Deutschen Reiches ist eingeleitet.

Von der rasanten Entwicklung in der Hauptstadt und der Neuverteilung der Macht in Europa war in der Schorfheide wenig zu spüren. Von der Schlacht bei Sedan, der Belagerung von Paris, der Kaiserkrönung Wilhelms erfährt man ein bis zwei Tage später aus der Zeitung. Erst 1909 erfolgt der Anschluß des Jagdschlosses an das Netz der Märkischen Elektrizitätswerke und etwas später gibt es hier auch Telefon. Die Besuche des Königs auf Hubertusstock bleiben in den ersten Jahren der Regentschaft rar. Die politischen Ereignisse nehmen den nicht mehr ganz jungen Monarchen zu sehr in Anspruch, trotzdem findet die fast an Geiz grenzende Sparsamkeit des Königs auch ihren Weg in die Schorfheide.

Über alle Ausgaben für die Bewirtschaftung des Jagdschlosses wird penibel Buch geführt. Besondere Ausgaben für Reparaturarbeiten oder die Neuanschaffung von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen, auch wenn es nur Tassen oder Teller sind, müssen gegenüber dem Ober-Hofmarschall-Amt ausführlich begründet werden. Prunkvoll dagegen fällt der nächste Aufenthalt des Kaisers auf Hubertusstock aus. Hier feiert er 1879 seine Goldene Hochzeit mit Augusta von Sachsen-Weimar.

Die Goldene Hochzeit Kaiser Wilhelm I. in Hubertusstock und die Forstschule in Groß-Schönebeck

Augusta galt als der liberale Gegenpol zum konservativen Regime Bismarcks. Immer wieder versuchte sie, die Politik des Kanzlers zu unterminieren und scheute dabei auch nicht vor dem Einsatz unkonventioneller Methoden zurück. Mit einem langen Hörrohr belauschte sie im Alten Palais vom Schlafzimmer aus die politischen Konferenzen ihres Gatten im Arbeitszimmer.

Zur Goldenen Hochzeit war sie bereits eine kränkelnde alte Frau, die nach einer schweren Hüftoperation an den Rollstuhl gefesselt war, doch über ihre scharfe Zunge und ihre königliche Launenhaftigkeit stöhnten die Untergebenen noch bis zu ihrem Tod. Neben der kaiserlichen Familie kamen zahlreiche Gäste zur Goldenen Hochzeit. Prinz Wilhelm (Wilhelm II.), der vom Kaiser viel mehr als sein eigener Sohn geliebte Enkel, wird hier die Bekanntschaft mit dem gerade im Amt eingesetzten Balduin von Hövel gemacht haben, dem späteren Leiter der Oberförsterei Grimnitz. Der Beginn einer freundschaftlichen Beziehung unter Jagdbegeisterten. Sein erstes Wild, ein Fasan im Wildpark bei Potsdam, schoß der Prinz trotz seines gelähmten und verkürzten linken Armes im zarten Alter von dreizehn Jahren.

Obwohl er mit der Durchsetzung der Sozialistengesetze und einer rigiden Schutzzollpolitik zur Rettung der deutschen Stahlindustrie vollauf beschäftigt war, wird Bismarck dem kaiserlichen Paar kurz gratuliert haben. Zur Gratulation erschien auch Wilhelms langjähriger Vertrauter Emil von Albedyll, der Chef des Militärkabinetts. Zur Hofjagd in der Schorfheide wurde gebeten, obwohl der Kaiser die Letzlinger Heide für die Jagd bevorzugte, denn der romantische Einfall seines Bruders, das Jagdhaus im bayerischen Stil bauen zu lassen, war dem steifen Militaristen nicht ganz geheuer. Neben der Jagd im eigenen Revier in der Letzlinger Heide ließ er sich aber wiederum aus Sparsamkeit gern einladen.

Noch 1887, also ein Jahr vor seinem Tod und immerhin im stolzen Alter von 90 Jahren, fand er sich zur Jagd im Forst des Grafen Stolberg-Wernigerode ein. Im selben Jahr starb verbittert, seiner Frau nur Schulden hinterlassend, Karl Friedrich Kortenbeitel in Groß-Schönebeck. Kein großer Mann der preußischen, ja vielleicht nicht einmal der regionalen Geschichte, aber in seinem Lebensweg ein Beispiel für den Lebensalltag in der Schorfheide zum Ende des Jahrhunderts. Der Dorflehrer baute 1877 mit Unterstützung der Oberförster und der Finanzverwaltung in Groß-Schönebeck die erste preußische Forstschule auf. Die Lehranstalt, vor allem für die Söhne der Forstbeamten geplant, erarbeitete in ihrer Aufbauphase die Grundlagen für eine geregelte Forstlehre zwischen Anschauung und Theorie. Der Lehrplan beinhaltete neben Deutsch, Rechnen und Zeichnen alle Bereiche der Forstwirtschaft. Mit allen Mitteln versuchte Lehrer Kortenbeitel seine Idee voranzutreiben, im Dorf Groß-Schönebeck das Zentrum der Forstlehre für ganz Preußen aufzubauen. Letztendlich scheiterte er aber am Alltag zwischen genauer Buchführung und den derben Späßen der Zöglinge. Kortenbeitel wurde aus der Schulleitung entlassen, der von ihm eingestellte Lehrer Grothe übernahm die Leitung. Er selbst wurde als Hilfslehrer weiterbeschäftigt und mußte Grothe Rechenschaft über Unregelmäßigkeiten in der Buchführung ablegen. Das Lehrmodell, das hier von ihm entwickelt worden war, erwies sich hingegen als so erfolgreich, dass es in den nächsten Jahren an vielen neu entstandenen Forstschulen übernommen wurde. Doch die Forstschule in Groß-Schönebeck mußte nach vielen Querelen mit dem Ministerium, nach ständigem Hin und Her zwischen der Finanzierung eines Neubaus und der Weiterführung des Mietvertrages 1907 schließen.

Kaiser Wilhelm II. - Schütze, Waidmann und Kaiser

Im März 1888 telegraphierte Bismarck dem an Kehlkopfkrebs schwer erkrankten Kronprinzen mit der dringenden Bitte um Rückkehr aus seinem Kuraufenthalt. Am 9. März verstirbt der Kaiser, doch sein Nachfolger war bereits selbst vom Tode gezeichnet. Reden war Friedrich Wilhelm III. bereits unmöglich, und atmen konnte er nur noch durch eine Kanüle. 99 Tage nur regierte er. Dann stirbt auch er, und die Kaiserkrone geht an seinen Sohn Wilhelm II. Das Jahr 1888 wird von der preußischen Geschichtsschreibung als Dreikaiserjahr bezeichnet. Inthronisiert wird eine Figur, die sich in pompöser Selbstdarstellung gefällt, Enkel des ersten Kaisers von Deutschland und der Königin von England mütterlicherseits, und ein Sohn, der seine Eltern wegen ihrer Liberalität und Weichheit zutiefst verachtet. Ein jähzorniger Gardeoffizier, dem die Zechkumpanen näher stehen als die hohe Politik. Bismarck selbst äußerte sich über den neuen Monarchen auf dem Thron, den er miterschaffen hat: „Das furchtbar Gefährliche im Charakter des Kaisers ist, dass er dauernd keinem, momentan jedem Einfluß zugänglich ist und alles sofort zur Tat werden läßt, somit jede Stetigkeit aufhört.“ Zu diesem Zeitpunkt war der Zenith des Kanzlers überschritten. 1890 überreichte Bismarck dem Kaiser sein Abschiedsgesuch.

Der letzte Hohenzollernregent stellte sich viel häufiger zur Jagd in der Schorfheide ein als sein Großvater. Kaiser Wilhelm II. war ein begeisterter Jäger und gelehriger Schüler des Forstmeisters Balduin von Hövel, der von 1879 bis 1919 das Forstamt Grimnitz leitete. Die legendäre forstwissenschaftliche Sammlung Hövels, die neben zahlreichen Anschauungsobjekten vor allem eine einzigartige Bibliothek umfasste, ging im Zweiten Weltkrieg verloren und gilt bis zum heutigen Tag als verschollen. An das Wirken Balduin von Hövels erinnert heute noch ein Gedenkstein an der Zufahrt zum Jagdschloss Hubertusstock. Beerdigt wurde er auf eigenen Wunsch 1932 unter Eichen nahe dem Portal des Jagdschlosses. Vielleicht stellte Hövel auch die starke Vaterfigur dar, die Wilhelm II. so sehnlich wünschte. Nie hätte er sich von seinem leiblichen Vater so ein- und zurechtweisen lassen, wie es bei der Jagd durch den Forstmeister geschah. Schon 1888, gerade zum Kaiser gekrönt, ließ er nach seinen Lehrjahren in der Schorfheide das so genannte eingestellte Jagen und Lapptreiben verbieten. („Auf dem Gebiet des Forstwesens habe ich von den Forstmeistern (…) auf meinen Pürschfahrten mit diesen vorzüglichen Pürschjägern und Administratoren viel gelernt.“ Wilhelm II., 1922)

Noch 1932 bekundete der mittlerweile 73jährige Kaiser mit einem Telegramm aus dem holländischen Exil sein Beileid zum Tod des Forstmeisters. Hier äußerte sich nicht ein Monarch in gesellschaftlichen Floskeln, sondern ein Mensch, der weit entfernt von seiner romantisierten Heimat zu ahnen begann, dass er nicht nur nie wieder auf seinen Thron zurückkehren würde, sondern auch mit dem Tod Hövels die letzte fast familiäre Bindung verloren hatte. „Tiefbewegt durch die Nachricht vom Heimgang Ihres lieben Vaters spreche Ich Ihnen Meine wärmste Teilnahme aus. Ich gedenke des Entschlafenen in herzlicher Dankbarkeit als des treu bewährten alten Garde-Jägers, Meines erfahrenen Lehrmeisters im Waidwerk und seines langjährigen Wirkens in seinem Amt als Forstmeister und „sehr edler Ordenshegemeister“ von St. Hubertus. - Im Geiste weile Ich unter den Leidtragenden, wenn das letzte Halali über das Grab klingt. Mit Mir trauern alle, die die grüne Farbe tragen, um einen unserer Besten! Solche Männer wie er, starke Charaktere, aufrechten Sinnes und bewussten Wollens tun unserm Volke not! Möge seine Persönlichkeit als Vorbild wirken bis in ferne Geschlechter!“ (Handschriftlich wurde durch den Kaiser hinzugefügt: „Was ich von Waldwirtschaft Wildhege, Pürsch weiss, habe ich alles ausnahmslos meinem treuen Hövel zu danken, der mich Jahrzehnte lang auf Pürschfahrten und -Gängen stets begleitete. Waidmannsdank!)“

1932, neun Jahre vor seinem Tod, gab es für den Kaiser kaum mehr Gelegenheit zur Jagd. Auch seine an Manie grenzende Lust am Holzhacken, die den Grafen Bentinck, seinen ersten Gastgeber im Exil, in tiefe Sorge um den Baumbestand seines Parks versetzte und ihn noch 1926 stolz und wenig glaubhaft schreiben ließ, er habe in „8 Arbeitstagen = 20 Stunden beim Durchforsten von Kiefernstangenhölzern 2.590 Bäume gefällt“, hatte ihn mittlerweile verlassen.

Zur Jahrhundertwende noch in Amt und Würden sah das ganz anders aus. Der Kaiser war nicht nur ein begeisterter Jäger, sondern auch ein ehrgeiziger Schütze, der - so erinnert sich Botho Graf zu Eulenburg - immer mit zwei Büchsenspannern, zwei große Männer in Jagduniformen mit langen Vollbärten, zur Jagd erschien. Mit mehr Erstaunen als Begeisterung betrachten wir heute den Gedenkstein, der sich in der Schorfheide im Revier Rarangsee befindet: „Unser durchlauchigster Markgraff und Herre Kaiser Wilhelm II. faellete allhier am 20. IX. a. d. 1898 Allerhöchst Seinen 1000. edel Hirschen von XX Enden.“ Dem Kaiser gefiel eine derartige Huldigung, war er doch fest davon überzeugt, dass er als würdiger präceptor mundi an der Spitze der hohenzollernschen Herrscherdynastie stand.

Alle Würdigungen und Ehrungen nahm er daher mit Selbstverständlichkeit an, jede kritische Äußerung musste er so als Blasphemie verstehen. Seine jähzornigen und unüberlegten Reaktionen, die mehr als einmal schlimmste diplomatische Konsequenzen hatten, sind Kennzeichen dafür, dass in seinem Selbstverständnis alle seine Reden und Taten konstitutionell unfehlbar waren. Um so mehr ist der freundschaftliche Umgang mit Balduin von Hövel als Ausnahme zu sehen.

1905 sollte endlich geklärt werden, wem das Grundstück in der Oberförsterei Grimnitz eigentlich gehörte. Am 20. April 1905 ließ die Königliche Regierung bei dem Herrn Oberförster zu Grimnitz anfragen, „seit wann die fraglichen Baulichkeiten auf ihrem Platze stehen und ob vor ihrer Errichtung andere Königliche Schatullgebäude (d.h. die Gebäude, deren Bau und Betrieb aus der königlichen Privatkasse finanziert wurden - Anm. d. Verf.) auf derselben oder einer anderen Stelle vorhanden gewesen“ seien. Der Oberförster antwortete, dass keine weiteren Schatullgebäude dort gestanden hätten. Das Katasteramt in Angermünde, das ebenfalls befragt wurde, ließ wissen, dass „die alte Gebäudesteuerrolle hier nicht mehr vorhanden ist, in der im Jahr 1879 angelegten Rolle sind diese Gebäude schon für Seine Majestät eingetragen.“ Weniger einfach war die Frage zu beantworten, wie groß das Grundstück war, das zum Schatullgebäude gehörte.

Am 11. Juli 1905 schrieb der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten der Königlichen Regierung, dass er „eine örtliche Abgrenzung des Schloßgeländes Hubertusstock sowie eine entsprechende Berichtigung von Kataster und Grundbuch für zweckmäßig“ halte, denn wie sich nach einigem Schriftverkehr und eifriger Recherche herausstellte, gehörten die Gebäude der Krone, das Grundstück aber dem Forstfiskus. Um das Durcheinander endlich zu beenden, teilte das Oberhofmarschall-Amt Sr. Majestät der Kaiser und König der Königlichen Regierung in Potsdam mit, „dass ich Seiner Excellenz dem Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten für die in Aussicht genommene Regulierung der Geländeverhältnisse beim Jagdschloß Hubertusstock sehr dankbar sein würde. Die Gebäude gehören der Krone, Grundfläche und Umgebung aber dem Forstfiskus und es scheint mir deshalb ganz praktisch zu sein, auch die letztgedachten Stücke in das Eigentum der Krone übergehen“ zu lassen. Daraufhin wurde das Gelände neu vermessen und die Bebauung in die Gebäudesteuerrolle aufgenommen. Die Gebäude bestanden aus dem Jagdschloss, zwei Nebengebäuden, drei Ställen, einem Holz- und Spritzenschuppen, einem Gendarmeriewachthäuschen, einem Scheuerhaus, einem Abort, einem Speisehaus, einem Dienerhaus und einem Filterturm. Die Fläche des Jagen 8 der Oberförsterei Grimnitz wurde mit 2,4509 ha angegeben. Der Baumbestand - vorwiegend Eichen, davon 114 Festmeter Nutzholz - wurde mit 4.547 Mark taxiert. Das Pumpenhaus, das durch eine unterirdische Röhrenleitung mit dem Kastellanhaus verbunden war, wurde beim Grundstückskauf besonders berücksichtigt. Am 17. Januar 1907 erwarb Wilhelm II. für 5.284 Mark das Grundstück. Jetzt erst waren Gebäude und Gelände im Besitz des Kaisers. Die Zahlung erfolgte aus Mitteln des Kronfideikommißfonds, der aus Erträgen des hohenzollernschen Grundbesitzes, der zahlreichen Haus-Fideikommiß-Herrschaften, -Ämter, -Güter und Forstreviere mit insgesamt 148 000 ha, und jährlichen Zahlungen aus der Staatskasse gespeist wurde. Der sparsame Großvater hatte in seiner Lebenszeit ein großes Vermögen angespart, das durch den raschen Tod des Vaters dem Enkel zufiel.

Mit dem Hofzug zur Pirsch

So häufig erschien Wilhelm II. zur Jagd auf Hubertusstock, dass er zur Jahrhundertwende den Kaiserbahnhof Werbellinsee bei Joachimsthal bauen ließ. Damit reihte sich der kleine Bahnhof ein in die Kaiserbahnhöfe, fürstlichen Separatzugänge und Aufenthaltsräume, die überall im Deutschen Reich errichtet oder hergericht wurden. Schon unter Wilhelm I. entstand zum Ein- und Ausstieg des Königs der Bahnhof Neuendorf bei Babelsberg. Der Kaiserbahnhof Wildpark, in direkter Nähe zum Neuen Palais in Potsdam, wurde wie auch Werbellinsee 1890 erbaut. Die Staatsoberhäupter reisten mit großem Gefolge auf den europäischen Gleisen.

Konrad Adenauer übernahm in den ersten Jahren der Bundesrepublik diese Tradition des Hofzuges und reiste im Zug durch Nachkriegsdeutschland. Der Kaiser liebte es, mit Hofstaat und Adjutanz über das Land zu fahren. Nicht ohne Grund wurde er auch der Reisekaiser genannt, denn er verbrachte lediglich die drei Wintermonate in Berlin und Potsdam, unterbrochen von Jagdausflügen nach Hubertusstock. Die kaiserlichen Hofzüge waren reich geschmückte, luxuriös ausgestattete Sonderanfertigungen. Die Eisenbahn begeisterte ihn mehr als der rasante politische, wirtschaftliche und kulturelle Umbruch der Jahrhundertwende. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er sich persönlich um die Entwicklung und den Ausbau des Waldbahnbetriebes in der Schorfheide kümmerte. Das Flößen des Schlagholzes vom Fällort zur Verarbeitung war in zunehmendem Maße unwirtschaftlich geworden, so dass eine Schmalspurbahn vom Großen Dölln See zum Sägewerk Michen am Werbellinsee, das noch heute existiert, gebaut wurde. In westlicher Richtung wurde die Strecke 1911 bis nach Vogelsang verlängert. Zur geplanten Verlängerung bis zum Kaiserbahnhof und damit zum Anschluß an das Eisenbahnnetz kam es nicht mehr, denn der Kaiser war inzwischen mit seinem Hofzug im holländischen Amerongen, seinem ersten Exil bis 1920, angekommen und sollte weder Berlin noch das Jagdrevier Schorfheide je wiedersehen.

Der 1. Weltkrieg war verloren. Deutschland wurde zu hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte verpflichtet, in Berlin und in vielen anderen Städten galt ein revolutionärer Ausnahmezustand. Als das Jagdschloss erbaut wurde, musste aufgrund der Ereignisse im März 1848 der Bau unterbrochen werden, wieder war es eine Revolution, die das Leben auf dem Jagdschloss beeinflußte. 1918 wurde Hubertusstock vom Arbeiter- und Soldatenrat Joachimsthal besetzt. Wie auch in Berlin - zumindest in den ersten Monaten - verlief die „Revolution“ in der Schorfheide unblutig. Wer hätte auch das Bauwerk im Wald verteidigen sollen? Die Verunsicherung nach dem Zusammenbruch des alten Herrschaftssystems war zu groß. Die Nachrichten aus dem nahen Berlin klangen beunruhigend, bewaffnete Arbeiter und Soldaten forderten auf dem Schlossplatz den Thronverzicht des Kaisers. Regierungstreue Militäreinheiten standen vor den Toren der Hauptstadt, und Scheidemann verkündete aus einem Fenster des Reichstages den hier zusammen geströmten Massen:

„Es lebe die deutsche Republik!“. In der Schorfheide zog die Republik mit drei bedeutenden Personen ein, die nach Jahrzehnten der königlichen und kaiserlichen Nutzung das Jagdrevier für sich in Anspruch nahmen: der preußische Ministerpräsident Otto Braun und die Reichspräsidenten Friedrich Ebert und von Hindenburg. Was diese drei so unterschiedlichen Figuren der Weimarer Republik verband, war die Jagd in der Schorfheide.

Otto Braun und Reichspräsident von Hindenburg - Eine Jagdgeschichte

Ebert, der erste sozialdemokratische Reichspräsident, der zum einen das blutige Ende der Revolution in Deutschland mitzuverantworten hatte, zum anderen unter den schwierigsten Bedingungen den demokratischen Umbau der Gesellschaft zu leisten hatte, war eine ambivalente Gestalt im politisch komplizierten Gefüge der Weimarer Republik. Ein kleines Blockhaus am Werbellinsee diente ihm wie seinem Nachfolger von Hindenburg als Jagdsitz. Die Hütte am Westrand des Werbellinsees wurde beiden Reichspräsidenten zur Verfügung gestellt. Die Miete von 100 Goldmark jährlich entrichtete die Reichsverwaltung dem Forstamt Grimnitz.

Das Jagdschloss Hubertusstock wurde weiterhin von einer kommissarischen Krongutsverwaltung geleitet und war de jure noch nicht in preußischem Besitz. Erst 1926 erfolgte gegen den heftigen Widerstand eines breiten Bündnisses - zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufes zur Enteignung gehörten George Grosz, Käthe Kollwitz, Erwin Piscator, Kurt Tucholsky, Heinrich Zille und Albert Einstein - die Verhandlung über Entschädigung oder Enteignung der Fürsten. Die Abstimmung im Reichstag über diese viel weniger politische als emotionale Frage fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Das Ergebnis war so wenig eindeutig, dass es zu einem Volksbegehren zwang. Das Volksbegehren zur Enteignung erbrachte nicht die gewünschte Mehrheit. Das Land Preußen gewährte dem einstigen preußischen Königshaus eine Abfindung in einer Höhe von mehr als 15 Millionen Reichsmark. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Wochenverdienst eines Arbeiterhaushalts lag zu der Zeit bei 41,75 Reichsmark.

Zu diesem Zeitpunkt war Friedrich Ebert, ausgezehrt durch die vielen Anfeindungen und Auseinandersetzungen, schon tot. Er starb am 28. Februar 1925 an einer verschleppten Blinddarmentzündung im Alter von 54 Jahren. Als nach einem schwierigen Wahlgang keiner der sieben Kandidaten für das Amt des Reichspräsidenten die Mehrheit erringen konnte, wurde mit Hindenburg ein Kompromiss gefunden. Die Folgen dieser Wahl des früheren Generalfeldmarschalls unter Kaiser Wilhelm II. sind vielfach beschrieben worden. Weniger bekannt ist, dass sich zwischen dem sozialdemokratischen Arbeiterkind aus Königsberg, dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun und dem ostelbischen Junker und monarchistischen Militär eine Freundschaft entspann. Die Jagdpassion war ihr gemeinsamer Nenner.

Der Antrittsbesuch Brauns, der wohl von beiden Seiten mit allergrößter Unlust betrachtet wurde, entwickelte sich ganz anders, als sich die beiden hatten träumen lassen: „Einer, der dabei war, erzählte den Verlauf des Gesprächs später dem links-pazifistischen Schriftsteller Helmuth v. Gerlach: Braun habe nebenbei die Bemerkung fallengelassen, es dürfte den Reichspräsidenten vielleicht interessieren, dass der ostpreußische Elchbestand sich dank der Bemühungen der preußischen Forstverwaltung seit dem Krieg verdoppelt habe; Hindenburg, der seit jeher ein leidenschaftlicher Elchjäger gewesen war, horchte auf und verwickelte Braun in ein lebhaftes Jagdgespräch, wodurch die für den Empfang festgesetzte Zeit beträchtlich überschritten wurde. Am Abend, berichtet v. Gerlach, habe Hindenburg seinem Gewährsmann gegenüber bemerkt: ,Wie man doch manchmal über einen Menschen falsch unterrichtet wird. Meine Freunde in Hannover hatten mir gesagt, der Otto Braun sei ein fanatischer Hetzer. Jetzt sehe ich, dass er ein ganz vernünftiger Mensch ist, mit dem man über alles sprechen kann.'“

In der Folgezeit trafen sich die beiden begeisterten Jäger häufiger, doch auch wenn sie wohl manchmal in benachbarten Revieren in der Schorfheide auf die Pirsch gegangen waren und Braun das jagdbare Wild für Hindenburg alljährlich persönlich freigab, so haben sie doch nie gemeinsam gejagt. Ihre Verbindung blieb in den nächsten schweren Jahren von gegenseitigem Respekt gezeichnet. Mehr als einmal war die Jagdlust des Sozialdemokraten sogar Gegenstand politischer Debatten und gemeiner Hetzkampagnen der braunen Presse, die lieber Jagd auf Menschen veranstaltete. Hindenburg versuchte Braun gegenüber diese Hetze noch mehr als seine eigenen Genossen bei der SPD zu verteidigen.

Auch eine Jagdfreundschaft konnte den politischen Erosionsprozessen zum Ende der Weimarer Republik nicht standhalten. Am 20. Juli 1932 unterschrieb Hindenburg, die von Reichskanzler Papen vorformulierte „Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen“, die faktische Enthebung der Sozialdemokraten von allen öffentlichen Ämtern. Otto Braun flüchtete vor den bereits absehbaren „Säuberungsaktionen“ und Blutorgien der Nationalsozialisten ins Exil. Im August begannen die offiziellen Verhandlungen zwischen Hindenburg und Hitler.

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