Prora

Der Ort Prora und der „Koloss von Rügen“ - das ehemalige „KdF-Seebad der Zwanzigtausend“ - sind in den letzten Jahren sehr bekannt geworden. Prora gehört zum Ostseebad Binz und liegt an der Prorer Wiek, der schönsten Bucht der Insel Rügen. Hier wurde die etwa 4,5 km lange Anlage im Auftrag der „NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude“ zwischen 1936 und 1939 gebaut und zu großen Teilen auch vollendet.

Das Gelände war zu Zeiten der DDR militärisches Sperrgebiet und ist erst seit 1990 für die Öffentlichkeit zugänglich. Prora ist im In- und Ausland als Denkmal der Bau- und Sozialgeschichte des „Dritten Reiches“ bekannt und wird jährlich von Hunderttausenden besucht.

Die Anlage steht unter Denkmalschutz. Sie ist neben dem „Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg die größte geschlossene architektonische Hinterlassenschaft der nationalsozialistischen Zeit. 20.000 Menschen sollten hier Urlaub machen. Das „KdF-Bad der Zwanzigtausend“ ist nicht nur ein baugeschichtlich interessantes Beispiel für den Gebrauch der Architektur der Moderne im Nationalsozialismus, sondern auch ein sozialgeschichtlich wichtiges Zeugnis für das Bemühen des NS-Regimes, die Arbeiter, deren Parteien und Organisationen 1933 zerschlagen worden waren, zu befrieden und für die Kriegs-, Lebensraum- und Rassenpolitik zu gewinnen. Die „Nerven des Volkes“ sollten für den nächsten Krieg gestärkt werden.

Bei Kriegsbeginn 1939 wurden die Bauarbeiten weitgehend gestoppt. Mit Ausnahme eines Blocks waren die acht Wohnblöcke, die südliche Festplatzrandbebauung und die Kaianlage bereits im Rohbau fertiggestellt, nicht jedoch die Schwimmbäder, die Festhalle und weite Teile der Wirtschaftsgebäude. Sie wurden niemals verwirklicht. An den Rohbauten wurden noch die nötigsten Sicherungsarbeiten durchgeführt, dann wurden die Bautätigkeiten endgültig eingestellt. Das bereits angelieferte Baumaterial verblieb aber vor Ort, was auf eine geplante Wiederaufnahme der Arbeiten nach Kriegsende schließen lässt.

1943/44 wurden die Gebäudeteile für die Aufnahme ausgebombter Familien aus Hamburg notdürftig fertiggestellt. Noch im Jahr 1945 schrieb der „KdF“-Chef Robert Ley, das deutsche Volk habe „dem Schicksal den Sieg abgetrotzt, und keine Macht der Erde wird ihn uns nunmehr entreißen können.“ Im Mai 1945 endete der Krieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Ley wurde von den US-Truppen aufgespürt, in den Nürnberger Prozessen angeklagt und nahm sich in seiner Zelle das Leben.

Als ab Mai 1945 die Sowjetunion die Kontrolle auf Rügen übernahm, wurde die Anlage zur Internierung von Grundbesitzern und weiterhin zur Unterbringung von Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten genutzt. Teile der Anlagen wurden für den Abtransport als Kriegsreparationen demontiert. Zwischen 1948 und 1953 wurden die Bauten von der Sowjetarmee genutzt, die den südlichsten Rohbau sprengte und abtrug. An den beiden nördlichsten Häuserblocks wurden ebenfalls Sprengübungen durchgeführt. Die Bauten wurden dabei aber nur schwer beschädigt und blieben teilweise stehen.

Die nach 1949 ebenfalls eingezogene Kasernierte Volkspolizei, aus der 1956 die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR hervorging, nutzte die Gebäude als Kaserne und erklärte das umliegende Gebiet zum Sperrgebiet. Die entsprechenden Umbauten waren 1956 abgeschlossen, danach wurden in Prora bis zu 10.000 Soldaten stationiert. In dem Komplex befand sich die Technische Unteroffiziersschule „Erich Habersaath“ der NVA, außerdem wurden Soldaten aus politisch befreundeten Entwicklungsländern wie Angola oder Mosambik ausgebildet. In den 1980er Jahren waren in Prora bis zu 500 Bausoldaten stationiert, die beim Bau des in der nördlichen Umgebung des Objektes gelegenen Fährhafens Mukran arbeiteten. Der südlichste Teil der Anlage stand Angehörigen von NVA und Grenztruppen als Erholungsheim (benannt nach Walter Ulbricht), Kinderferienlager und Ferienort zur Verfügung.

Der Auftrag zur Errichtung des Seebades wurde nach einer Ausschreibung im Februar 1936 an den Architekten Clemens Klotz (1886–1969) erteilt. Zwar waren insgesamt zehn renommierte Architekten an dem Verfahren beteiligt, allerdings hatte Klotz bereits andere nationalsozialistische Propagandabauten errichtet und hatte im Auftrag seines Förderers, des KdF-Führers Robert Ley, auch für diese Anlage vorher schon Pläne entwickelt. Sie wurden nach dem Wettbewerb auf Weisung Hitlers nur dahingehend modifiziert, dass aus dem Entwurf des Architekten Erich Putlitz die große Festhalle als weiteres zentrales Element übernommen und architektonisch angepasst wurde. Der Gesamtentwurf wurde auf der Weltausstellung in Paris 1937 mit dem Grand Prix ausgezeichnet, parallel dazu wurde er aber auch noch während der Bauausführung bis 1939 weiterhin verändert, was sich unter anderem in einem Verzicht auf die erst nachträglich eingefügte Festhalle äußerte.

Die Planungen sahen vor, für die Unterbringung der Urlauber acht jeweils 550 m lange, sechsgeschossige, völlig gleichartige Häuserblocks mit insgesamt 10.000 Gästezimmern zu errichten. Durch diese langgestreckte, über ca. 5 km entlang der Küstenlinie reichende Bauweise sollte erreicht werden, dass alle Zimmer Meerblick hatten, während die Flure zur Landseite hin gelegen waren. Die geplante Ausstattung der nur 2,5 mal 5 Meter großen Zimmer, von denen jeweils zwei mittels einer Tür verbunden werden konnten, war an heutigen Maßstäben gemessen recht karg: zwei Betten, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Handwaschbecken. Weitere sanitäre Einrichtungen fanden sich jeweils in den landwärts gerichteten Treppenhäusern der Blocks. Bemerkenswert ist, dass alle Gästezimmer über Lautsprecher verfügen sollten. Aus der Uniformität der Architektur der Gästeblocks und der sehr zweckmäßigen Einrichtung, die zusammengenommen eine Errichtung nach dem Baukastenprinzip erlaubten, wird deutlich, dass hier anders als bei anderen nationalsozialistischen Großprojekten zumindest in diesem Teil der Anlage die Funktionalität über die Architektur gestellt wurde.

Das Leben in der Ferienanlage sollte, dem totalitären Anspruch des Systems folgend, in der Gemeinschaft stattfinden. Zu diesem Zweck waren Gemeinschaftshäuser mit Liegehallen geplant, die in regelmäßigen Abständen „wellenbrecherartig“ küstenwärts aus der Häuserfront heraus gebaut wurden, wodurch die Urlauber vom Wetter unabhängiger gemacht werden sollten. Als weitere Gemeinschaftseinrichtungen sollten unter anderem zwei Wellenschwimmbäder, ein Kino und mehrere Gastronomiebetriebe errichtet werden. Weitere zentrale Elemente der Anlage waren der in der Mitte zwischen den Blocks geplante Aufmarschplatz und die Kaianlagen, die ein Anlegen von Seebäderschiffen ermöglichen sollten.

Parallel zu den Anlagen für die Urlauber musste die komplette Infrastruktur für eine derartige Menge Menschen aufgebaut werden. Landeinwärts wurden zu diesem Zweck ein Bahnhof, Personal- und Wirtschaftsgebäude geplant und auch zum Teil realisiert.

Heute steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz.