Informationen zur Netze

Die Noteć (sprich: „Notetz“; deutsch: „die Netze“ oder „Netzekanal“) bildet zusammen mit dem 14,4 km langen „Bromberger Kanal“ (Kanał Bydgoski) und der staugeregelten Brahe eine 294,3 km lange schiffbare Verbindung zwischen Weichsel und Oder („Weichsel-Oder-Wasserstraße“ = Droga wodna Wisła-Odra). Gleichzeitig erschließt sie mit dem Gopło-Gebiet eine in Deutschland kaum bekannte Seenplatte. Ihre Wasserführung beträgt an der Mündung in die Warta 72 m³/s. Der 389 km lange Fluß entspringt in einem Wiesengebiet zwischen den Städtchen Przedecz und Chodecz (Wojewodschaft Wielkopolskie) und wird hier „Noteć-Noć“ genannt, im Dialekt auch „Noćka“ (sprich: Notschka) oder „Szyszynka“ (sprich: Schischinka). So fließt er zunächst etwa 50 km nach Osten, ehe er, sich nach Norden wendend, 130 km lang die Gopło-Seenkette Richtung Bydgoszcz durchfließt. Kurz vor dieser Stadt biegt der Flußlauf nach Westen und durchzieht geradlinig das Thorn-Eberswalder Urstromtal (Pradolina Toruńsko-Eberswaldzka), um nach weiteren 187 km östlich von Gorzów in die Warta zu münden. Ab dem Gopło-See ist die Noteć schiffbar. Abzweigende Kanäle ermöglichen den Wasserweg über Bydgoszcz zur Weichsel und vom Gopło-See aus nach Süden in den Mittellauf der Warta. Auf der Noteć und ihren Kanälen ist damit eine Rundfahrt möglich, der 672 km lange „Großpolen-Ring“ (Wielka Pętla Wielkopolski).

Das Gefälle der Notec ist in den einzelnen Abschnitten verschieden, so dass die nötigen Schleusen bei der Kanalisierung in sehr verschiedenen Abständen gebaut wurden. Zu deutscher Zeit hieß der kanalisierte Abschnitt zwischen dem heutigen Nakło (km 37) und der Schleuse Gromadno (km 53) die „kanalisierte Netze“ (mit 3 Schleusen auf 16 km), von der Schleuse Gromadno bis zur Mündung der Gwda (km 106) die „stille“ oder „träge Netze“ (1 Schleuse auf 53 km), der Abschnitt zwischen der Gwda- und der Drawamündung bei km 177 „lebhafte Netze“ (8 Schleusen auf 71 km) und der Unterlauf von der Dawamündung bis zur Mündung der Notec in die Warta die „freie Netze“, da diese 48 km schleusenfrei verlaufen und man danach auf der Warta weitere 68 km schleusenfrei zur Oder fahren kann. Im heutigen polnischen Wasserstraßennetz wird nur zwischen „Noteć skanalizowana“ = kanalisierter Noteć zwischen Nakło und der Drawamündung bei der Stadt Krzyż und „Noteć swobodnie płynąca“ = freifließender Noteć zwischen Krzyż und der Mündung in die Warta bei Santok unterschieden.

Die Wasserqualität der Noteć liegt im mittleren Bereich (Moorwasser). Das reicht aus, um von der Oder her Lachse zu ihren Laichplätzen in Drawa und Gwda wandern zu lassen; für Bachforellen ist der Fluß bereits zu nährstoffreich. Manchmal sieht man Nagespuren von Bibern, die sich von der Warthe her ausgebreitet haben. Es dürften keine Elbe-, sondern Weichselbiber sein, die man daran erkennt, daß sie statt des braunen ein schwarzes Fell haben. Die weite Wiesen- und Buschlandschaft gibt vielen Störchen Lebensraum. Wie einsam die Gegend ist, kann man daran sehen, daß in den endlosen Kiefernwäldern der Puszcza Notecka (Netze-Heide, heute als „Netze-Urwald“ übersetzt) entlang des Unterlaufs Wolfsrudel vorkommen und daß in den weiten Ebenen zwischen Drezdenko und Santok bis heute einige Großtrappen (polnisch: „Drop“) leben.

Obwohl das umliegende Moorland nicht diesen Eindruck macht, sind Netzebruch und Gopło-Seen sehr regenarm. Mit 500 mm Jahresniederschlag werden sie in Mitteleuropa nur noch von Böhmischen Becken und dem Harzvorland Sachsen-Anhalts unterboten.

Im Winter ist die Noteć im Mittel 20 bis 30 Tage zugefroren.

Schleusen

Die Telefonnummern von Schleusen und Unterkünften in dieser Beschreibung entsprechen dem Stand 2009. Nach polnischem Recht müssen Boote über 5 m Länge, die auf den polnischen Wasserstraßen unterwegs sind, wie in Deutschland einen Namen tragen.

Die Schleusen an der Noteć haben folgende Dienstzeiten:

08.04.-31.05. und 01.09. bis zur Schließung der Wasserstraße

Montag bis Freitag 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr

Sonnabend, Sonntags und an Feiertagen

Schleusung mindestens 2 Tage vorher über inspektorat.bydgoszcz@rzgw.poznan.pl anmelden und am Tag der Schleusung telefonischen Kontakt herstellen.

01.06.-31.08.

Montag bis Freitag 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr

Sonnabend, Sonntags und an Feiertagen 10:00 - 16:00

Ruderer sollten eine halbe Stunde vor Dienstschluss vor der Schleuse liegen.

Die Schleusengebühr betrug 2015 4,08 Zloty pro Boot, sie ist in bar zu entrichten und es ist von Vorteil, es in Hartgeld bzw. kleinen Scheine zu tun.

Geschichtliches

Die Netze entwässert den Ostabschnitt des Thorn-Eberswalder Urstromtales, das bis ins 18. Jh. mit dichtem Sumpfwald (ähnlich dem Spreewald) bestanden war. Seit 1772 (und endgültig ab 1815) gehörte die Landschaft zu Preußen. König Friedrich II. ließ 1772-74 den 26 km langen „Bromberger Kanal“ von der Netze zur Warthe bauen und schuf so eine Wasserverbindung zwischen Mittel- und Osteuropa. Der Kanal wurde damals als technisches Wunder betrachtet und ist auch aus heutiger Sicht eine große Bauleistung. Gleichzeitig begann man das Netzebruch trockenzulegen und in Kulturland umzuwandeln, eine Arbeit, die sich in vielen Schritten bis in die 30er Jahre des 20. Jh. hinzog. Erst dann konnte man das Bruch als hochwasserfrei bezeichnen.

Seit altersher lag das Urstromtal im Mischbereich zwischen polnischer und deutscher Bevölkerung. Während die Dörfer westlich von Bydgoszcz (Bromberg) und das Städtchen Nakło/Nakel von Polen bewohnt waren, lebten zwischen Nakło und Antoniny/Szamocin (Antonienhof/Samotschin) deutsche oder deutsch-polnische Bauern auf den Höfen. Galt Ujście/Usch als polnische Stadt, waren die Ufer von der Fähre Radolin-Walkowice (Radolin-Walkowitz) bis hinab nach Santok/Zantoch deutsch besiedelt. Die Gopło-Seenkette dagegen gilt als das Kernland Polens und trug nur sporadisch deutsche Siedlungen. Einige lagen am Jezioro Wolickie (Pturker oder Wolitzer See), auch das Städtchen Barcin/Bartschin hatte einen deutschen Bevölkerungsanteil; am Südufer des Jezioro Gopło (Goplo-See) gab es richtige deutsche Dörfer. Dies mag auch der Grenznähe geschuldet sein, denn von 1815 bis 1918 verlief die deutsch-russische Grenze hier. Von Nordende des Jezioro Skulskie (Skulsker Sees) kommend, traf sie bei Rzeszyn die Südspitze des westlichen Arms des Goplo-Sees, um südlich von Ostrówek die Landenge zu überschreiten und entlang des zwischen Mietlica und Połajewek mündenden Flüßchens nach Osten zu laufen (die Nordgrenze des heutigen NSG „Rezerwat Nadgoplanski Park Tysiąclecia“ zeichnet den alten Grenzverlauf nach). Das Land nördlich davon gehörte ein Jahrhundert lang zu Preußen, südlich davon zu Rußland. Die Kulturgrenze zwischen dem deutsch und dem russisch verwalteten Polen ist in der Atmosphäre der Städtchen noch heute spürbar. Charakteristisch sind die zahlreichen Laubenhäuser, die in Mitteleuropa sonst selten sind. Bis zur Vollendung der Eisenbahn Berlin-Bromberg-Königsberg 1867 war die Netze mit dem Bromberger Kanal eine wichtige Wasserstraße zwischen Berlin und Ostpreußen. Ab 1863 schrittweise, v.a. im Abschnitt Bromberg-Goplosee, kanalisiert, wurde sie zusammen mit dem Bromberger Kanal 1905-1917 als „Netzekanal“ für Finowmaßkähne ausgebaut. Der Fortschritt konnte aber nicht mehr genutzt werden: bereits 1919 mußte Deutschland den Kanal an den neuen polnischen Staat übergeben. Der Versailler Vertrag legte im Artikel 89 zwar fest, daß deutsche Schiffe im Verkehr mit Ostpreußen auf polnischen Wasserstraßen freie Fahrt hätten, doch wurde dies wenig genutzt. Der Güterverkehr war inzwischen auf die parallel laufende „Ostbahn“ umgezogen, die nicht unter sommerlichem Niedrigwasser zu leiden hatte und im Winter nicht zufror.

In der Zwischenkriegszeit verlief am Netzekanal die deutsch-polnische Grenze. Sie erreichte sie 2 km westlich der Drawamündung von Süden her und lief dann 80 km entlang der Netze ostwärts bis zur Mündung der Gwda (Küddow) bei der Stadt Ujście (Usch), um dieser dann nach Norden zu folgen. Die Grenze verlief dabei in der Mitte des Flusses, das nördliche Ufer war deutsch, das südliche polnisch. Die Stadt Wieleń (Filehne) war somit in einen deutschen (nördlichen) und polnischen (südlichen) Teil geteilt, die Schleusen 12 bis 22 lagen genau auf der Staatsgrenze (und arbeiteten!) - Manchmal erzählen verwitterte Kilometerschilder am Ufer von dieser Zeit. Alle anderen Spuren der 19 Jahre existierenden Grenze sind im Dunkel der Geschichte versunken.

Schon bald nach der Gründung des polnischen Staates 1920 war der Anteil der deutschen Bevölkerung an der Netze gesunken, da die polnische Verwaltung die deutschen Beamten außer Landes schickte, dazu alle Deutschen, die in den zehn Jahren zuvor hierhergezogen waren. Nach 1945 siedelten die polnischen Behörden auch die restlichen Deutschen aus. Die Neubesiedlung der Landschaft mit polnischen Bauern bis 1947 verlief nur schleppend, so daß die Natur weite Teile des Bruches zurückeroberte. Damit wurde auch die Kulturarbeit, die bis zum 2. Weltkrieg in mühevoller Arbeit das Netzebruch urbar und hochwasserfrei gemacht hatte, ein Opfer des Krieges.

Auf deutscher Seite wurde die Netze nach 1933 in die Verteidigungsanlagen des „Pommernwalls“ (Wał Pomorski) als „Netzestellung“ (Linia Noteci) einbezogen; bis heute wird die Notećbrücke in Drezdenko (Driesen) beidseitig von Panzersperren in Form von Schranken „geschützt“. Letztlich konnte die Befestigung den Vormarsch der Roten Armee im Januar/Februar 1945 nicht aufhalten. Im Zweiten Weltkrieg hatte Netze kurze Zeit sogar militärische Bedeutung. Der sowjetische Admiral N. G. Kosnezow schreibt: „Zu Beginn der Berliner Operation wurde die Dneprflotille … an die Oder verlegt. Ihre Schiffe halfen beim Forcieren der Oder und sicherten die Übersetzstellen.“ Die Verlegung begann bereits am 13. Februar 1945, kurz nach Erreichen der Oder durch sowjetische Truppen. Nach Materialien der „Gedenkstätte Seelower Höhen“ wurden größere Panzerboote per Bahnverladung transportiert, während kleinere, um die Bahnlinien nach Posen und Küstrin zu entlasten, aus eigener Kraft 500 Kilometer durch den gefrorenen Pripjat, den Dnepr-Bug-Kanal, den ebenso vereisten Bug und die Netze zur Oderfront fuhren. Um das zu ermöglichen, mußten in kürzester Zeit die Schleusen betriebsfähig gemacht und die Trümmer der gesprengten Brücken aus der Netze geräumt werden. Letztlich blieb der Einsatz der Dneprflotille auf wenige Flußabschnitte beschränkt, weil durch die von der Wehrmacht in der Schlacht um Berlin gesprengten Brücken die Weiterfahrt der Schiffe blockiert war.

Die Wasserstraße wurde nach 1945 zwar betriebsfähig gehalten, doch fiel die deutsche Transitschifffahrt weg, und die polnischen Behörden sahen angesichts der parallel laufenden Bahnstrecke und fehlender Warenströme keine Notwendigkeit für viel Frachtverkehr. In den 60er Jahren brachten zwei sowjetische Binnenschiffe („Angara“ und „Kuban“) Getreide von Kaliningrad über das Frische Haff – Weichsel – Notec – Oder – Oder-Havel-Kanal – Elbe-Havel-Kanal nach Magdeburg; jedoch stellten sich diese Fahrten wegen der geringen Abmessungen des Netzekanals und der vielen Schleusen als unwirtschaftlich heraus (GLADE 1970). Das Wasserstraßennetz um den Goplo-See wurde erst nach dem 2. Weltkrieg vervollständigt. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurde ein bei Konin von der Warta abzweigender Kanal zu den Seen Jezioro Pątnowskie und Jezioro Ślesińskie vorgetrieben, doch das letzte fehlende Kanalstück zwischen dem Jezioro Ślesińskie und dem Jezioro Gopło konnte man erst 1950 vollenden.

Die polnische Wirtschaftskrise um 1985 ließ den Frachtschiffverkehr zusammenbrechen. Heute wird die Noteć manchmal von durchreisenden Sportmotorbooten genutzt, es gibt auch einige kleine Kreuzfahrtschiffe; insgesamt ist der Verkehr aber sehr gering. Es gibt Pläne, die Wasserstraße im Rahmen der EU wieder zu einer Verkehrsader zu machen, die den Rhein mit der Weichsel verbindet.

Gernot/Palmström